Audi R18 e-tron quattro 2014

Der Audi R18 e-tron quattro ist der komplexeste Rennwagen, der bislang in Ingolstadt und Neckarsulm entstanden ist. Das gilt nicht nur für die Mechanik. Auch die Elektronik des jüngsten LMP1-Rennwagens mit den Vier Ringen ist so aufwendig wie noch nie.
Das Zeitalter elektronischer Datenübertragung aus dem fahrenden Rennwagen begann für Audi 1989. Damals funkte ein Audi 90 quattro in der IMSA-GTO-Serie acht Messgrößen an die Box. Motordrehzahlen und einige wenige Drücke und Temperaturen flossen als Endlosgrafiken auf Z-Papier aus einem Drucker – aus heutiger Sicht ein winziger Schritt, der dennoch wichtige Einblicke gab.


Heute generiert ein Audi R18 e-tron quattro auf mehr als tausend Kanälen teilweise im Millisekundentakt Daten, die für einen Stab von Ingenieuren bei Audi Sport entscheidend sind. In Le Mans überwachen die Techniker ihre Rennwagen 24 Stunden ununterbrochen. Ob es um die Funktionsfähigkeit der Systeme geht oder darum, Reglement-Vorgaben einzuhalten, oder um strategisch wertvolle Aussagen: Ähnlich einem EKG-System in der Medizin diagnostiziert der Rennwagen fortlaufend seinen Zustand und meldet ihn der Box.

Dazu verfügt der LMP1-Sportwagen über eine Reihe von CAN-Bus-Systemen, die unterschiedlichste Steuergeräte miteinander vernetzen. Eine aufwendige Sensorik misst von Fahrwerksdaten bis zu Beschleunigungen, Temperaturen, Drücken sowie im Bereich des Energiemanagements diverse Größen und erzeugt damit eine Datenbasis für die Steuergeräte. Der R18 e-tron quattro verfügt über ein Master-Systemsteuergerät, welches primär die Motor- und Hybridsteuerung übernimmt und zusätzlich mit den übrigen Steuergeräten im Rennwagen – unter anderem für Getriebe, Kupplungsaktuatorik, Scheibenwischer und Scheinwerfer mit Laserlicht – kommuniziert.

Der Rennwagen ist über eine Online-Verbindung direkt mit den Rechnern in der Box verbunden. Sie dient der Datenschnellübertragung in Echtzeit für Betriebszustände, die keine hohe Übertragungsrate erfordern – etwa Temperaturen. So können zuverlässig begrenzte Datenmengen transferiert werden, die eine generelle Aussage über den Zustand des Autos ermöglichen. Im Gegensatz dazu sammelt der Sportwagen die detaillierten Feindaten in jeder Rennrunde und überträgt sie beim Vorbeifahren an der Box per Burst-Signal. Je nach Messkonfiguration werden Datenmengen von mehr als 20 Megabyte pro Runde generiert – das entspricht mehr als 10.000 DIN-A4-Seiten.

Eine Übertragung in beide Richtungen ist verboten: Das Auto darf Daten an die Box senden, nicht aber umgekehrt. Die einzige Möglichkeit des Teams, auf das Auto Einfluss zu nehmen, bleibt der Sprechfunkkontakt zwischen dem Team und dem Rennfahrer im Auto. Besteht aufgrund der Datenanalyse durch die Ingenieure Handlungsbedarf, erhält der Fahrer diese Informationen über Funk – etwa zur Einstellung von Bremsbalance, Motorsteuerung oder zum Hybridsystem. Im Fall der Fälle kann auf alternative Programmstände zurückgegriffen werden, die im Fahrzeug hinterlegt sind.

Darüber hinaus gibt es ein Telemetrie-System für die Verantwortlichen der FIA (Fédération Internationale de l’Automobile), die zusammen mit dem ACO (Automobile Club de l’Ouest) über das Reglement wacht: Hält das Hybridsystem die zulässigen Energiemengen ein? Ist der Energieverbrauch des Rennwagens im vorgeschriebenen Bereich? Stimmen die Werte für den Turbo-Ladedruck? Bleibt die Cockpittemperatur innerhalb der zulässigen Grenzen?

Die FIA setzt zudem ein GPS-System ein. Damit misst sie seit diesem Jahr, ob ein Rennfahrer in kritischen Situationen wie den Gelbphasen an einem Unfallort das zulässige Tempo einhält, ebenso werden die Aktivitäten der Streckenposten (sogenannte Marshalling-Zonen etwa bei der Absicherung von Unfallstellen) im Cockpit angezeigt. So erhält der Fahrer eine Hilfestellung, die der Sicherheit aller Teilnehmer dient. Auf einer Streckengrafik kann außerdem die Position des Rennwagens in Echtzeit verfolgt werden. Ein moderner LMP1-Rennwagen ist also ständig umfassend mit Team und Rennleitung vernetzt.


Stand: 2014